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29.11.19 –
Er wird noch viel reden müssen bis zum Wahltermin im März. Dabei wird es immer um das große Ganze gehen, „ich denke ganzheitlich“. Das hat mit seiner wissenschaftlichen Ausbildung zu tun. Der Mann, der im Landkreis Kronach aufwuchs, kam 1987 nach Bayreuth, studierte Geoökologie, „da lernt man, global zu denken“. Es schloss sich die Promotion an, er blieb hier hängen – „weil es mir gefiel“, sagt er tags darauf im Redaktionsgespräch.
Politisch engagierte er sich schon früh, „ich bin seit 39 Jahren bei den Grünen“. Er war auch bei den großen Demonstrationen dabei. Gegen den Nato-Doppelbeschluss etwa. Und, klar, auch in Wackersdorf. Beruflich war von Heßberg lange Zeit selbstständig. Als Gutachter. Das bot ihm die Chance, sich seine Zeit frei einzuteilen und so seiner großen Leidenschaft zu frönen – dem Reisen. Kein normales Reisen.
Es zog ihn dorthin, wo Touristen selten bis gar nicht hinkommen. Vor allem nach Zentralasien, nach Bhutan, nach Tibet. Oder auch in den Norden Sibiriens, nach Kamtschatka. Daraus entwickelte sich auch ein zweites berufliches Standbein: „Ich war immer auch journalistisch tätig, schrieb Reiseführer.“ Weil es über diese Regionen im deutschsprachigen Raum keine Literatur gab, „das waren quasi weiße Flecken“. Für die er durch seine Bücher später auch als Reiseleiter gebucht wurde.
Als Autor ist er immer noch aktiv, seine Reiselust musste er jedoch einschränken vor einigen Jahren. Da erhielt er einen Anruf von jenem Lehrstuhl der Uni, an dem er einst studierte. Ein Mitarbeiter hatte sich verabschiedet, „die wollten mich haben“. Er folgte diesem Ruf, arbeitet seitdem als Störungsökologe und Vegetationskundler. Stichwort Grünland: „Wir setzen Wiesen dem Klimawandel in beschleunigter Form aus, schauen, wie sich das auf die Artenvielfalt auswirkt.“ Heißt Wasserentzug, heißt Entfernen von Schnee als natürlichem Frostschutz.
Ja, das wirke sich schon auch auf sein politisches Denken aus. Der Klimawandel sei eben nicht zu leugnen, seit vier Jahrzehnten werde er von Wissenschaftlern vorausgesagt. „Spätestens nach dem Klimagipfel in Rio 1992 hätten wir reagieren müssen.“ Dass sich jetzt auch andere Parteien ein „grünes Mäntelchen umhängen“, helfe nur bedingt weiter. Weil dieses „Pseudogrün“ nur kurzfristig bis zum Ende einer Legislaturperiode angelegt sei, „da stecken keine Visionen dahinter“. Die brauche es aber. Und daher auch mehr Wissenschaftler in der Politik, gerade auch in der Kommunalpolitik. Denn es gehe nun mal um ein Umdenken im großen Stil, das müsse „von unten kommen“. Im Gegensatz zur Agenda 21 – „die ich nicht schlechtreden will“ –, die sei längst eingeschlafen, weil sie von oben aufgestülpt worden sei.
Es gelte die zahlreichen Aktionen zu nutzen, die gerade aus der Bevölkerung wachsen, „das ist ja viel mehr als Fridays for Future“. Von Politikverdrossenheit könne man kaum noch reden, „die Politik muss das unterstützen, darf sich aber gleichzeitig nicht einmischen“. Der Prozess des Umdenkens könne Jahre, ja Jahrzehnte dauern. Aber ein Anfang müsse gemacht werden. Das könne im Kreis, das könne in jeder Kommune sein.
„Wir sind jetzt mehrfach im Bereich Fair Trade und Klima-Check unterwegs, das ist ja schon mal was.“ Aber das genüge eben nicht. Die Städte und Gemeinden müssten vom Kreis Hilfe bekommen, gerade bei der Klimaberatung. Dazu müssten halt auch noch „ein, zwei Leute mehr eingestellt werden neben Bernd Rothammel, mit dieser Position zum Thema Klimaschutz und Energieberatung „sind wir immerhin schon Vorreiter“. Das müsse wachsen. Mache der eine Kreis etwas, könnten die Nachbarkreise nacheifern. Irgendwann mache vielleicht der ganze Bezirk mit. Dann weitere Bezirke, irgendwann der ganze Freistaat. „Das geht nicht von heute auf morgen, aber wir müssen aktuell handeln, wir sind ja eh schon zu spät dran.“ Diese Denke gelte auch für das Thema Mobilität, sagt der Mann, der einst den ADFC-Ortsclub Bayreuth mitgründete, 25 Jahre im Radrennsport aktiv war und bei vielen seiner Reisen sein Rad dabei hatte. Jetzt wohnt er mit seiner Lebenspartnerin und der fünfjährigen Tochter in einer beschaulichen Ecke bei Forkendorf. „Sieben Häuser, von Wald umgeben, da führt keine geteerte Straße hin.“ Was wiederum den Einsatz seines Rennrades torpediert, „denn da hast du schnell einen Platten“.
Er wolle auch niemand sein Auto wegnehmen. Aber warum nicht Sharing-Modelle konsequent ausbauen? Und auf E-Bikes und Lastenfahrräder ausweiten? Warum nicht einen Busunternehmer finden, der einen Triebwagen zwischen Bayreuth und Pegnitz betreibt im Halb-Stunden-Takt? Warum nicht überhaupt in den Nahverkehr massiv investieren? „Vor allem in kleinere Busse mit zwölf bis 20 Sitzplätzen, die auch Wohnsiedlungen problemlos anfahren und Räder und Kinderwagen transportieren können“. Und da müsse auch der Preis stimmen, „sonst nutzen doch wieder alle das Auto“. Apropos Auto. E-Mobilität sei nicht alles, sei nur ein Teilaspekt. Zumal das, was da in manchen Ländern passiere, „aus denen die Metalle seltene Erden stammen, menschenunwürdig ist“. Das habe mit der Rohstoffgier der Menschen zu tun. Da schließt sich für ihn der Kreis in Sachen Nachhaltigkeit, in Sachen Bewusstseinsänderung: „Wir müssen einfach ökologischer denken und handeln, auch im Sinne der regionalen Kreisläufe.“ Was auch bedeute, die regionalen Produkte mehr zu schätzen. Dafür müsse die öffentliche Hand Vorreiter sein – „und das kann im Landratsamt losgehen“.
Andreas von Heßberg macht sich auf den Weg zu seiner Thermoskanne, abends muss seine Stimme bei einer Nominierungsversammlung in Creußen wieder fit sein. Wie noch so oft in den kommenden Monaten.
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