Gewürze im Schweinestall und gutes Fleisch

Eine Reise nach Baden-Württemberg zeigte fränkischen Landwirten, was in Sachen ökologische Landwirtschaft alles möglich ist Pegnitz Von Thomas Knauber

15.10.20 –

Irgendwann hatte Dieter Hoch, Ex-Lehrer und Ex-Stadtrat in Pottenstein, entdeckt: Bayern bietet „Ökomodellregionen“ (ÖMR) an. Hauptsächlich, um mehr Biobauern zu bekommen. Er kurbelte unendlich, bis eine ÖMR auch hier existierte. Seit einem Jahr sollen deren Manager Thomas Lang und Sabine Hafner also für eine Bio-Fränkische Schweiz sorgen, ohne Dünger und Chemie. „Wir müssen unseren Kindern eine gesunde Landschaft hinterlassen“, so Hoch.

Um Schwung in die neue ÖMR zu bringen, lud Thomas Lang jetzt Entscheidungsträger und Landräte zur Fahrt nach Schwäbisch Hall ein. Dort gibt es eine Bauern-Coop namens „Besh“, die so erfolgreich nachhaltig arbeitet, dass schon Prinz Charles und Ministerpräsident Winfried Kretschmann dort vorbei kamen. Dieter Hoch wollte vor allem Bauern mitnehmen – und diese kamen. Aber auch Handwerker fuhren mit wie der Naturschreiner Rochus Grün aus Gößweinstein und der Brauer Urban Winkler aus Weißenohe. Aus der Politik zumindest Florian Wiedemann, der Bayreuther Landrat.

Biohotel ist ausgebucht

30 Teilnehmer standen also in dem kleinen Dorf Wolpertshausen, wo die Besh ihren Anfang nahm, die „Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall“. Sie lernten dort jenen Mann kennen, der innerhalb von 32 Jahren etwas Unglaubliches auf die Beine gestellt hat: Rudolf Bühler. 1564 Mitglieder (davon ein Drittel Biobauern), 500 Mitarbeiter, 160 Millionen Euro Umsatz und alles fußt auf seiner Initiative.

Bühler war in Syrien, Sambia und Bangladesh in der Entwicklungshilfe gewesen. Als er zurückkam auf den elterlichen Bauernhof, rettete er zuerst die Rasse der Schwäbisch-Hällischen Landschweine. 1969 war ihre Zucht erloschen. Aus den 25 schwarz-weißen Tieren, die er noch fand, setzte er ein neues Herdbuch auf. Sein Ziel war, sich gegen die Agrarlobby und ihre „Industrieschweine“ zu wehren. Mit Freunden ging er anschließend daran, den Bauernstand zu retten, und zwar mit jenen Methoden, die er in Afrika gelehrt hatte.

„Bauern sind die Loser der industriellen Entwicklung“, sagt er jetzt zu den Gästen aus Franken. 1988 gründete er mit sieben Männern die genossenschaftliche Besh, „um vom Acker bis zum Teller alles in unserer Hand zu haben. Keiner schöpft ab.“

Was heute in 13 Zweigunternehmen aufgeteilt ist, von der Dorfkäserei über den eigenen Supermarkt und die Solartankstelle bis zur „Akademie für ökologische Landwirtschaft“, begann mit der Übernahme des defizitären Schlachthofs nebenan. Und gipfelte vor fünf Jahren mit dem Kauf eines defizitären Schlosses in Kirchberg – wo jetzt ein Biohotel ausgebucht ist, wo Tagungen locken. Bühler entfernte als erstes alle Fürstenbilder von den Wänden und ersetzte sie durch Porträts der Bauernführer, erklärte Hardy Mann, Gästeführer der Franken.

Mann war ursprünglich Grafiker und dann Tourismusexperte. Im fortgeschrittenen Alter lenkt er jetzt jedes Jahr 4000 Neugierige durch das Besh-Reich, macht bei Werbekampagnen mit und bringt die Genossenschaft auf die richtige Spur: Verkaufen in den Großstädten rundum und in Berlin, auf den direkten Kundenkontakt achten, 500 Metzgereien mit „Botschafterinnen“ bezirzen, die Kantinen von Mercedes-Benz bis Siemens und den Bundestag beliefern.

Mann ist auch die rechte Hand bei Bühlers Firma „Seeds of Hope“, die mustergültig arme Gewürzbauern in Sansibar, Südindien und Serbien unterstützt. Tonnen von Gewürzen lagern in Bühlers früherem Schweinestall. Gourmetrestaurants bedienen sich dort mit dem absolut reinen, intensiv duftenden Pulver, das ihnen ein indischer Gewürzmeister zusammenmischt. Die Franken erlebten das alles verblüfft. Josef Schrüfer aus Kühlenfels fragte: „Ist das eine One-Man-Show des Herrn Bühler?“

Nein, hieß es: Ein Team von 25 Bauern lenkt die Spitze. Überhaupt arbeiten nur Bauern mit. Auch die Agraringenieure des eigenen Beratungszentrums stammen von einheimischen Höfen. Und wie schafft es Bühler, so viele gute Helfer und Berater zu bekommen? „Er hat ein Netzwerk und ein untrügliches Gespür für Menschen“, sagt Hardy Mann.

„Für Menschen, die sich gern leiten lassen, weil es um eine gute Sache geht.“ Er ist selbst so ein Mensch. Als zu Beginn der Coronawelle die Bestellungen der Wurstdosen im Onlineshop „durch die Decke gingen“, hockte er sich sechs Wochen an den Computer und half.

Fränkische Bauern viel zu vorsichtig

ÖMR-Manager Thomas Lang fragte Rudolf Bühler, ob er beim Aufbau der Besh keine Probleme gehabt hatte. Nein, sagte der: „Das Ausdiskutieren ist wichtig. Und man muss darauf achten, dass keine Ellbogen-Leute in der Truppe sind.“ Außerdem muss das Business-Case stimmen, das Geschäft: „Sie brauchen mindestens eine schwarze Null.“ Auf die oft skeptischen Bauern angesprochen, sagte er: „Wenn die Kasse stimmt, sind alle zufrieden.“ Das heißt: Hier ist der Milchpreis doppelt so hoch wie im Durchschnitt. Das Qualitätsschweinefleisch (dank Freilauf und Eichelmast) erzielt hohe Preise.

Lang: „Das ist bemerkenswert, dass man sowas aufbauen kann. Da kann man nur den Hut ziehen.“ Maria Zeußel aus Creußen, die für ihren Bio-Supermarkt über Jahrzehnte mit Bauern zu tun hatte, war skeptisch, ob eine Besh in Franken klappt. „Die fränkischen Bauern sind viel zu vorsichtig. Sie springen erst auf, wenn was läuft.“ Dieter Preis, der von Gößweinstein aus eine „Fridays for FS-Future“-Idee umsetzt, optimistisch: „Ich krieg hier Mut.“



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