Volksbegehren Klares Votum für den Artenschutz

BAYREUTH. Fast 20 Prozent der Stimmberechtigten in der Stadt Bayreuth haben sich für das Volksbegehren "Rettet die Bienen" ausgesprochen. Im Landkreis Bayreuth haben sich 16,9 Prozent in die Listen in den Rathäusern eingetragen.

14.02.19 –

Wie die Stadt Bayreuth mitteilt, wurden bis 13. Februar 11.090 Unterschriften gezählt. Ausgehend von 57.200 Stimmberechtigten, haben sich 19,4 Prozent am Volksbegehren beteiligt. "Die Resonanz auf das Volksbegehren war außergewöhnlich groß", heißt es aus dem Rathaus.

In Bayreuth gab es ein Aktionsbündnis. Vom Umweltzentrum Lindenhof aus organisierten sich Vertreter der Parteien ÖDP, SPD, Grüne, Mut und Linke sowie des Landesbundes für Vogelschutz (LBV), des Bayreuther Imkervereins, des Kreisverbandes des Bundes Naturschutz (BN), des Transitionshauses und des von Studenten gegründeten Vereins Summer in der City.

„Die Arbeit hat sich ja gelohnt“, kommentiert Markus Lenk (ÖDP), der auch BN- und LBV-Mitglied ist, die 19,4 Prozent für Bayreuth-Stadt. Er appelliert nun an ein Umdenken beim Bayerischen Bauernverband (BBV). „Es ist auf beiden Seiten Zeit, die Bunkermentalität aufzugeben. Die Bevölkerung hat das Signal gegeben, dass ihrer Meinung nach nicht genug für den Umweltschutz getan wird.“

Lenk möchte nicht alle Bauern über einen Kamm scheren, kenne auch einige, die viel tun. „Generell setzt sich der BBV zu viel für Großbetriebe ein.“ Von dem Ergebnis in Bayern gehe nun auch ein Signal für ganz Deutschland und die EU aus.

Für viele ein persönliches Anliegen

Ebenfalls bester Stimmung ist am Donnerstag Siegfried Zerrenner. Der SPD-Politiker war neben Grünen-MdL Tim Pargent der einzige Stadtrat, der im Lindenhof dabei war. Außerdem hat er Flyer in seinem Stadtteil St. Georgen verteilt. „Es war toll, dass sich auch am Mittwoch noch viele eingetragen haben, obwohl schon klar war, dass es reicht.“ Ihm sei das Volksbegehren ein persönliches Anliegen gewesen. „Jeder sieht im Garten, dass es weniger Vögel. Hummeln und Bienen gibt als früher.“ Deshalb müsse es zu einer Veränderung in der Agrarpolitik kommen.

Grünen-Landtagsabgeordneter Tim Pargent ist über den großen Zuspruch zum Volksbegehren für Artenvielfalt erfreut. Der Bayreuther stellt dazu fest: „Ich danke den Bürgerinnen und Bürgern in Stadt und Landkreis Bayreuth für ihren Einsatz für wirksamen Tier- und Pflanzenschutz in Bayern. 19,4 Prozent in der Stadt und 16,9 Prozent im Landkreis sind ein großartiges Ergebnis. Das war eine Abstimmung mit den Füßen: Die Menschen standen bei Schnee und Eis Schlange vor den Rathäusern, um eine Kehrtwende in der Naturschutzpolitik der Söder-Regierung zu erzwingen. An diesem klaren Signal kommt niemand mehr vorbei. Wir brauchen ein neues Miteinander von Landwirtschaft und Naturschutz und ich bin zuversichtlich, dass mehr und mehr Bäuerinnen und Bauern diesen Weg mit uns gehen.“

Große Freude herrscht derzeit beim Bund Naturschutz. Reinhard Birkner, der Vorsitzende der Kreisgruppe Bayreuth, räumt ein, dass man zunächst selbst noch ein wenig skeptisch war, ob das Quorum zu erreichen sei. Doch als man sich mit den Leuten unterhalten haben, sei sehr schnell klar geworden, dass es ein großer Teil der Bevölkerung will.

Dass die Quote in größeren Städten durchweg höher ausgefallen ist als in vielen Dörfern, erklärt Birkner damit, dass auf dem Land der Einfluss des Bauernverbands stärker sei. zugleich betont der Vorsitzende: „Wir sind überhaupt nicht gegen die Bauern.“ Aber: „Wir sind gegen die derzeitige Agrarpolitik.“ Und diese sei eben vom Bauernverband mit beeinflusst.

Birkner betont, dass man gerade die bäuerliche Landwirtschaft wolle. Und er hofft, dass die Bauern erkennen, dass mit höherwertigen Lebensmitteln auch höhere Preise durchzusetzen sind. Birkners Fazit aus vielen Gesprächen im Vorfeld des Volksbegehrens: „Die Leute wollen gesunde Lebensmittel, aber sie wollen keine Überproduktion.“

Kracherwerte in einigen Kreiskommunen

Insgesamt etwas schwächer als in der Stadt war die Beteiligung im Landkreis, lag mit 16,9 Prozent aber immer noch über dem oberfränkischen Schnitt (16,7). Und neun Kommunen knackten sogar die 20-Prozent-Marke. Im Kreis beteiligten sich 14.219 Menschen am Volksbegehren bei 84.194 Stimmberechtigten. Dabei wurde die Zehn-Prozent-Hürde überall geknackt. 20 Prozent und mehr Beteiligung wurden in Bischofsgrün (20,2), Eckersdorf (21,4), Gesees (20,4), Glashütten (20,3), Goldkronach (22,3), Haag (21,4), Heinersreuth (21,4), Mistelbach (21,9) und Plankenfels (21,1).

Spitzenreiter ist Hummeltal: Dort beteiligten sich 24,8 Prozent der 1964 Stimmberechtigten. Die wenigsten Interessierten am Volksbegehren gab es in Kirchenpingarten, wo von 1009 Stimmberechtigten nur 106 unterschrieben haben (10,5 Prozent). Auch in Ahorntal haben lediglich 205 von 1737 Berechtigten einen Listeneintrag gemacht.

Spitzenreiter Hummeltal

Warum war der Zuspruch in Hummeltal so groß? Ulrike Dannecker, Vorsitzende der BN-Ortsgruppe Hummelgau, nennt drei Gründe. „Wir haben noch jede Menge wunderschöne Landschaft, für die es sich zu kämpfen lohnt.“ Außerdem sei der BN in der Gemeinde Hummeltal stark verankert, stelle einen großen Teil der Ortsgruppenmitglieder des BN. Und nicht zuletzt hätten die Befürworter auch viel getan. Dannecker: „Wir haben Plakate aufgehängt und mit allen möglichen Leuten geredet, ganze Familien vom Anliegen überzeugt.“

Den zweithöchsten Wert im Landkreis erreichte Goldkronach (22,25 Prozent). Bürgermeister Holger Bär (FW) wurde in den vergangenen Tagen von beiden Seiten in intensive Gespräche verwickelt – sowohl von Landwirten als auch von der sehr aktiven BN-Ortsgruppe. „Es ist schon beachtlich, auf welche Resonanz dieses sensible Thema gestoßen ist.“ Das Stadtoberhaupt befürwortet nun den von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vorgeschlagenen Runden Tisch. „Es ist jetzt wichtig, Naturschutz und Landwirtschaft zusammenzubringen, ohne sich gegenseitig den Schwarzen Peter zuzuschieben.

Kompromisse gesucht

Jörg Hacker, Geschäftsführer des Fichtelgebirgsvereins, freut sich über das gute Ergebnis. Er weist daraufhin, dass es regional unter dem Motto „Blühendes Fichtelgebirge“ bereits einen Runden Tisch gebe. Hacker fordert nun die Politik zum Handeln auf. „Den Mähzeitpunkt auf öffentlichen Flächen neben Straßen in nicht-sicherheitsrelevanten Bereichen auf den September nach hinten zu verlegen, wäre ein erster Schritt.“  

Auch wenn sie nicht alles unterschreiben kann, was im Volksbegehren gefordert wurde, freut sich Bürgermeisterin Simone Kirschner aus Heinersreuth über den Erfolg. Und auch über das Umweltbewusstsein der Bürger, das aber vor der eigenen Gartentüre nicht aufhören dürfe, mahnt sie. "Hoffentlich haben nicht viele einfach ihr ökologisches Gewissen mit einer Unterschrift beruhigt."   

Wie geht's weiter? Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will bei einem Runden Tisch Kompromissmöglichkeiten ausloten. Das erste Treffen soll bereits am kommenden Mittwoch, 20. Februar, stattfinden.

Das sagt der Experte

Gerrit Begemann, Entwicklungsbiologe und Zoologe, Universität Bayreuth: "Es ist absolut notwendig und höchste Zeit, dass sich beim Artenschutz etwas tut. Das Artensterben und seine katastrophalen Auswirkungen sind unter Ökologen seit vielen Jahren bekannt", sagt der Professor. "2,5 Prozent der Arten sind bereits verschwunden."

Es gehe nämlich nicht nur um Bienen, sondern um alle Insekten vom Schmetterling bis zur Fliege. Denn sie sind wichtig für die Befruchtung von Blühpflanzen. Wenn deren Bestände sinken, hat das langfristige Folgen. Der Biologe sagt aber auch: "Natürlich ist die Landwirtschaft nicht an allem allein Schuld. Auch die Politik spielt eine Rolle, die industrielle Landwirtschaft mit dem massiven Einsatz von Dünger und Pestiziden fördert. Die Bauern sind aber nun einmal die, die am meisten mit der Umwelt zu tun haben. Wir erreichen also nur etwas mit den Bauern zusammen."

Die Leute, die sich für das Volksbegehren entschieden, hätten das richtige Gefühl gehabt. Wenn die Forderungen im Naturschutzgesetz umgesetzt würden, wäre das ein sehr guter Schritt, um eine größere Artenvielfalt zu erreichen. "Wir haben zwar bereits Biotope, aber diese sind zu weit von einander entfernt. Wenn sie mehr miteinander vernetzt werden, steigt die Artenvielfalt wieder. Das wird bereits von Wissenschaftlern am Bodensee untersucht und das funktioniert tatsächlich."

Langfristig könne man etwa auf unbebauten Flächen und Wiesen mit Wildblumen dafür sorgen, dass sich Insekten wieder ansiedeln. "Wenn wir wissen, dass es funktioniert, warum machen wir es dann nicht? Für die Natur und den Menschen wäre es absolut notwendig."

ue, gs, asch, roko

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